Manche Probleme sind alt wie die Gebäude selbst – und manchmal sogar älter. Der Dachstuhl der Karlskapelle am Aachener Dom, eine der gotischen Kapellen aus dem 15. Jahrhundert an der Nordseite der Kirche, hat aktuell mit einem sehr modernen Problem zu kämpfen: Schimmel. Genauer gesagt: weißer Schimmel. Zum Glück ist der Befall bislang nur oberflächlich und beschränkt sich hauptsächlich auf die oberste Staubschicht und die Holzfasern. Aber bei einem Denkmal dieser Klasse gilt: Vorsorge ist besser als Sanierung.

Ein natürlicher Luftzug – mit Nebenwirkungen

Was auf den ersten Blick paradox klingt, ist bauphysikalisch durchaus nachvollziehbar: Der Dachstuhl ist zu gut isoliert – zumindest gegen Luftbewegung. Warme, feuchte Luft steigt ungehindert aus dem Inneren des Doms durch die Gewölbeöffnungen auf und findet in der unbeheizten Karlskapelle einen ihrer natürlichen Ausgänge. Doch die Kombination aus kühleren Bauteilen, feuchter Luft und zu wenig Luftzirkulation im Dachstuhl ist ideal für Kondensationsfeuchte – und damit leider auch für Schimmelbildung.

Besonders betroffen sind sowohl die historischen Hölzer des 17. Jahrhunderts als auch die jüngeren Einbauten der 1980er-Jahre. Die solide, damals sinnvoll gewählte Dachkonstruktion mit dichter Schalung und Bleischarren im unteren Bereich zeigt nun ihre Schwächen: Die feuchte Abluft kann nicht ausreichend entweichen.

Schimmelbefall im Dachstuhl der Karlskapelle (Foto: © Christoph Hartmann)

Wie man einem Dachstuhl das Atmen beibringt

Die Lösung ist denkbar pragmatisch und dennoch fein abgestimmt: Die Dachhaut soll am Übergang von Blei zu Schiefer geöffnet und angehoben werden, so dass im unteren Abschluss ein  umlaufendes Lochband eingesetzt werden kann. Das sorgt für eine effektive Kaltdurchlüftung – ganz gleich, ob Regen, Schnee oder Sonnenschein. Zusätzlich werden Gauben und andere Elemente überarbeitet, damit die Luft künftig besser zirkulieren kann. Der Schimmel hat dann sprichwörtlich „keinen Nährboden“ mehr.

Die handwerklichen Eingriffe bleiben dezent: Dank der umlaufenden Galerie kann auf große Gerüste verzichtet werden. Nur auf dem Dach des angrenzenden Sechzehnecks wird eine temporäre Arbeitsfläche eingerichtet – der befallene Dachstuhl selbst darf aus gesundheitlichen Gründen nicht betreten werden.

Erst Erprobung für die verbesserte Durchlüftung des Dachstuhls der Karlskapelle (Fotos: © Christoph Hartmann)

Nach der Veränderung der Dachhaut kommt die Wissenschaft

Nach den baulichen Maßnahmen folgt die sorgfältige Behandlung des Holzes. Hierfür kooperiert die Aachener Dombauhütte mit der Holzrestaurierung des LVR-Amtes für Denkmalpflege. Die Restauratorinnen und Restauratoren werden den Schimmel mikroskopisch untersuchen und auf dieser Grundlage ein passendes Verfahren für Reinigung und Konservierung des Holzes wählen. Da die Balken schwer zugänglich sind, könnte sogar ein spezielles Arbeitsgerüst im Dachstuhl notwendig werden – natürlich mit Blick auf die Statik der Gewölbe.

Ein Blick in die Zukunft

Der Fall Karlskapelle zeigt eindrucksvoll, wie sensibel das „Innenklima“ eines so komplexen Bauwerks wie dem Aachener Dom reagiert. Eine Veränderung an einem Ort kann Auswirkungen auf ganz andere Bereiche haben. Deshalb wird ein umfassendes Monitoring installiert: Sensoren messen künftig Temperatur, Luftfeuchte und Luftströmungen an den entscheidenden Stellen – auch im Westturm, wo ähnliche Probleme auftreten.

So können Veränderungen früh erkannt und Gegenmaßnahmen getroffen werden – möglichst bevor der nächste Schimmelpilz sich heimisch fühlen kann.