Strahlend helle Steine fügen sich mit dunklem Material in unterschiedlichen Farbabstufungen; so bunt gescheckt kommt das Mauerwerk der Chorhallenpfeiler daher. Eine Steinart spielt hierbei eine ganz besondere Rolle: der Herzogenrather Sandstein.
Als die Baumeister vor mehr als 600 Jahren mit der Errichtung der Chorhalle begannen, setzten sie zunächst einen Sockel aus Aachener Blaustein. Dieser Kalkstein ist sehr fest und stark wasserabweisend. Er eignet sich somit hervorragend als Grundlage für den hochaufstrebenden Chor. Mit Beginn der Fensterzone wechselt das Material dann zu einem lokalen Standstein aus der Herzogenrather Region. Frisch aus dem Steinbruch gewonnen, ist das Material strahlend hell, nahezu weiß. Für die Pfeilerflächen und die Bauzier wie Baldachine und Fialen eignet es sich sehr gut, da es einfach zu bearbeiten ist.
Farbspiel im Laufe der Zeit: Von strahlend weiß bis tief schwarz und wieder zurück
Der Herzogenrather Sandstein hat darüber hinaus die Eigenschaft, sehr gut Wasser aufzunehmen und wieder abzugeben. Mit diesem Prozess werden allerdings auch viele Schmutzpartikel aus der Luft in den Stein getragen. Die Folge: Die Steinoberfläche dunkelt im Laufe der Zeit deutlich nach. Es dauert nur wenige Jahrzehnte und sie ist völlig schwarz.
Als sich der Karlsverein kurz nach seiner Gründung 1847 mit der Restaurierung des Außenmauerwerks der Chorhalle befasste, war der ganze Baukörper dunkel verfärbt. Viele Bauzierteile fehlten, die wenigen überlieferten zeigten starke Verluste durch Verwitterung. Mit Erstaunen und per Zufall stelle man damals fest, dass wenige Zentimeter unterhalb der schwarzen Außenfläche die helle Farbe des Steines erhalten war. Dies führte zum Entschluss, die verschmutze Oberfläche ungefähr drei Zentimeter tief abzutragen und die Chorhalle wieder in hellem Glanz erstrahlen zu lassen. Doch die starke Luftverschmutzung im industriell geprägten Aachen deckte den schönen Schein innerhalb kurzer Zeit wieder zu.
Materialmix aus dem 19. Jahrhundert nicht bewährt
Da die Statik der Chorhalle im 19. Jahrhundert stark geschwächt war, lag ein weiterer Schwerpunkt der Restaurierungen auf der Ertüchtigung des Mauerwerks. Zahlreiche schadhafte Steine wurden ausgetauscht. Als Austauschmaterial kamen mehrere Sandsteinvarietäten zum Einsatz, nur der Herzogenrather Sandstein nicht, denn mit ihm glaubte man ja schließlich, schon seine (schlechten) Erfahrungen gemacht zu haben.
Ganz anders verhielt es sich 1995 zu Beginn der letzten großen Sanierungskampagne. Genauere Untersuchungen zu den unterschiedlichen Steinvarietäten zeigten, dass das Ursprungsmaterial der Chorhalle, der Sandstein aus Herzogenrath, das hier geeignetste Material ist und die inhomogene Materialstruktur, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden war, der Chorhalle mehr schade als nütze.
Späte Rückkehr des Herzogenrather Sandsteins
Somit fiel der Entschluss, bei der umfassenden Mauerwerkssanierung wieder auf das Ursprungsmaterial zu setzen. Einzige Herausforderung: Im Steinbruch in Nievelstein bei Herzogenrath wurde kein Stein mehr gebrochen, sondern lediglich Quarzsand abgebaut, der aufgrund seiner herausragenden Qualität für die Herstellung von Autoglas verwendet wird. Es ist der Hartnäckigkeit von Geologen und den mit der Restaurierung betrauten Fachleuten zu verdanken, dass tatsächlich noch einige hundert Kubikmeter Sandstein gebrochen werden konnten. Die Menge war bereits auf die Zukunft hin kalkuliert, so dass heute noch immer ausreichend Material im Lager der Dombauleitung zur Verfügung steht, um bei den aktuellen Sanierungsarbeiten Verwendung zu finden. So ergänzen die neu versetzten Steine mit ihrer hellen Farbe das Mosaik an Farbtönen im Pfeilermauerwerk. Tatsächlich hat sich die Aachener Luft seit Jahrzehnten so gebessert, dass auch die zwischen 1995 und 2000 eingesetzten Sandsteine noch immer ihre helle Farbe zeigen. Unter dieser Perspektive wird uns noch längere Zeit das Farbspiel an der Chorhalle erhalten bleiben.