Großer Zuspruch bei der Jahreshauptversammlung des Karlsvereins in der Citykirche.

Von Sabine Rother

Menschen, Zahlen, spannende Informationen und mit dem Aachener Dom ein faszinierendes Bauwerk – Statement Karls des Großen, der vor 1200 Jahren damit Herrschertum und Glaubenskraft dokumentierte! Der Abend in der Citykirche St. Nikolaus war eine kompakte Reise durch Historie und Gegenwart, denn die ordentliche Hauptversammlung 2023 des Karlsvereins-Dombauvereins unter seinem Vorsitzenden Hubert Herpers ging nach allen notwendigen Abstimmungen über in die Verabschiedung von Dombaumeister Helmut Maintz (64), der 1986 an die Dombauhütte kam und 2000 die Verantwortung für den Dom übernahm – das erste deutsche Bauwerk seit 1978 auf der Liste des UNESCO-Welterbes. Über Sanierungen von den Dächern und Turmspitzen bis in die tiefen Fundamente mit ihren Spuren römischer Thermen, über aktuelle Entwicklungen und brisante Situationen berichtete Maintz in einem gut 75-minütigen Abschlussvortrag, dem das Publikum staunend folgte. Zuvor hatte Dompropst Rolf-Peter Cremer als „Zeremonienmeister“ des festlichen zweiten Teils des Abends dem neuen Dombaumeister Jan Richarz den Generalschlüssel zum Dom weitergereicht.

Hubert Herpers, Helmut Maintz, Jan Richarz und Rolf-Peter Cremer, v.l.n.r (Foto: Stanislaw Isaak)

Bilanz des Vereins

Doch zunächst galt es für den Verein, Bilanz zu ziehen. Im Mittelpunkt stand dabei das Jubiläum 2022: Vor 175 Jahren standen ein paar berührte Bürger vor dem Dom, der durch Witterungsschäden und napoleonische Besatzer fast zur Ruine geworden war. Sie waren es, die den Karlsverein gründeten, der später im Zusatz „Dombauverein“ die klare Zielrichtung verkündete: das mühsame Rettungswerk unterstützen und beobachten – bis heute. Inzwischen steht der Dom nicht nur in aller Pracht da, wie ein strahlendes Foto im Hintergrund zeigte. Die Innen- und Außensanierung ist erfolgt, die Dächer glänzen mit Blei und Schiefer, die Reinigung der geschwärzten Fassade und des ehrwürdigen Figurenreigens von Gottfried Götting durch modernste Technik schreitet voran, viele Heilige und Könige sowie die Mitglieder der heiligen Sippe mit Maria im Mittelpunkt konnten restauriert werden.

93 neue Förderer hatte der Verein 2022 gewinnen können, für den Hubert Herpers nun 2918 Namen zählte. 87 Mitgliedern, die 2022 verstorben waren, widmete man ein stilles Gedenken. „Wir würden so gern in nächster Zeit die 3000 erreichen“, betonte Herpers. „Sie alle sind unsere Botschafter.“ So hoffe man, bei Veranstaltungen rund um den Dom verstärktes Interesse zu wecken. „Durch Corona war ja nicht viel möglich, das wird sich jetzt ändern“, sagte der Vorsitzende. „Wir sind noch immer der drittgrößte Verein in Aachen.“

Großartiges 175-Jahre-Wochenende

Stolz waren alle auf ein festliches Wochenende zur 175-Jahr-Feier mit Konzerte, einem großen Treffen im Krönungssaal des Aachener Rathauses, Vorträgen – unter anderem vom humorvollen Peter Füssenich, Dombaumeister in Köln – und Aktionen für Kinder, wie der „Orgel aus dem Koffer“. Zusammen mit Domorganist Professor Michael Hoppe hatten rund 50 Kinder eine Mini-Orgel zusammengebaut und dabei erforscht, wie das mit Registern und Blasebalg so funktioniert. Später durften sie sogar die Regionalkantoren Friederike Braun und Martin Sonnen auf die Orgelempore im Dom begleiten, wo die beiden das Werk „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saens spielten, während sich unten im Oktogon Prof. Hoppe vom Domorganisten in einen Geschichtenerzähler verwandelte. Spontan-Führungen rund um den Dom trafen bei verblüfften Bürgerinnen und Bürgern, die vom tourist-service-Team einfach angesprochen wurden, auf Begeisterung.

„Wachet auf, ruft uns die Stimme“ war schließlich die musikalisch-geistliche Einstimmung auf die Adventszeit. „Wir haben neue digitale Führungsformate erprobt“, berichtete Hubert Herpers. „Per Audioführer mit Headsets für die Teilnehmer können nun mehrere Gruppen nebeneinander ungestört ihren Guides lauschen – ein Drittel der Gesamtkosten (17.500 Euro) übernahm der Verein. Schließlich gibt es im Dom inzwischen überall WLAN.

Der Vorstandsvorsitzende berichtet
(Foto: Stanislaw Isaak)

Brisanter Brandschutz

Mit Blick auf den verheerenden Brand der Pariser Kathedrale Notre Dame 2019 hat sich der Verein verstärkt für den Brandschutz im Dom eingesetzt. „Wir haben im Jubiläumsjahr mit 790.000 Euro die bisher höchste Einzelsumme gespendet“, sagte der Vorsitzende und verwies auf die morbiden alten, feuergefährlichen Kabel, die ersetzt werden mussten und eine Brandmelde- und Alarmanlage, die jeden Winkel des Doms „im Blick“ hat. 145.000 Euro flossen in den Förderhaushalt Sanierungen, insgesamt gab es 2022 Aufwendungen in einer Gesamthöhe von über einer über einer Million Euro (1.074.243,37 Euro). Nicht ohne Stolz beschrieb Hubert Herpers seinen Eindruck: „Ist man in der Vergangenheit den Schäden eher hinterhergelaufen, sind wir nun dank der ‚Pflegenden Hand‘ der Dombauhütte und des scheidenden Dombaumeisters dem Unvermeidbaren einen Schritt voraus.“ Glücklich sei man auch über eine Erhöhung des Stiftungsvermögens aus der vor 14 Jahren gegründeten Dr. Hans Müllejans-Stiftung. Der ehemalige Dompropst und kraftvolle Förderer der Aktion „Der Dom braucht Hilfe“ hatte damals sein Vermögen in den Dienst des Rettungswerkes gestellt. Inzwischen kann man auf zahlreiche  Zustiftungen blicken. Die Ausgangssumme von 300.000 Euro ist auf 2,2 Millionen Euro gestiegen.

Pläne für 2023

„Wir hoffen, dass das Vereinsleben wieder reger wird, wir spezielle Domführungen und mehr bieten können“, meinte Hubert Herpers. So werde der Dombauverein im Rahmen der Heiligtumsfahrt eine Talkrunde bieten und als Gast Hedwig Drabik, die Dombaumeisterin von Speyer, zum Vortrag empfangen. In der im Februar erscheinenden 25. Jahresgabe gibt es eine umfangreiche Würdigung der Jahresereignisse und der langjährigen Arbeit von Dombaumeister Helmut Maintz mit vielen Bildern und Zitaten. Top-Thema ist der neue Brandschutz für den Dom.

Noch genauer erläuterte dann Schatzmeister Norbert Laufs, als Direktor der Sparkasse Aachen ein versierter Mann des Geldes, die Zahlen des Jahres und verwies auf die erwirtschafteten Erträge in Höhe von 554.586,04 Euro. WestLotto war dabei wieder mit 218.000 Euro beteiligt, 96.000 Euro wurden gespendet – 300 unfreiwillig aus Bußgelder, 392,77 Euro wanderten in den Opferstock und 27.460 Euro kamen aus Erbschaften hinzu. „Die Finanzkraft der Vereins ist verstärkt“, versicherte  Laufs, der nochmals den Brandschutz hervorhob. 519.657 Euro betrug die Summe der Aufwendungen, wie man in der Bilanz nachlesen kann. Als Rechnungsprüfer versicherte Jens Ulrich Meyer, Vorstand der Aachener Bank, die Rechtmäßigkeit der Buchführung, zusammen mit Leo Förster bleibt er in dieser Funktion. Beide wurden einstimmig wiedergewählt, nachdem die Hauptversammlung Schatzmeister und Vorstand entlastet hatte.

Dompropst übernimmt Moderation

Mit einem Grußwort des Ehrenvorsitzenden Dompropst Rolf-Peter Cremer, der sich über das Aufleben der Dommusik unter Domkapellmeister Bethold Botzet mit Knaben- und Mädchenchor freute und verstärkt auf die Heiligtumsfahrt (9. bis 19. Juni) unter dem Motto „Entdecke mich“ hinwies, bei der man noch ehrenamtliche Helfer suchen würde, ging die Versammlung über in den Programmteil, der ganz dem scheidenden Dombaumeister gewidmet war. Helmut Maintz saß mit Ehefrau Ute und Tochter Nicole neben seinem Nachfolger Jan Richarz und dessen Frau Noemi in erster Reihe und hörte konzentriert zu. Was sich hier in kühlen Zahlen zeigte, weckte bei ihm Erinnerungen an komplizierte Arbeiten der Dombauhütte, zusammen mit Fachingenieuren, Kolleginnen und Kollegen anderer Dombauhütten, Firmen, die seit langen Jahren für den Dom arbeiten und ihre Erfahrungen einbringen, aber auch mit Instituten von RWTH Aachen und Fachhochschule. Die Pause wurde genutzt, um kleine und große Geschenke und Grüße zu übergeben – unter anderem von NRW-Ministerin Ina Scharrenbach, die ein dickes Buch über den Limes, das neueste Objekt auf der UNESCO-Liste des Welterbes, sowie die nachträgliche Bewilligung von Fördermitteln in Höhe von 125.000 Euro überreichen ließ.

Vom Bleidach bis zum Krüzzbrür-Orden

Cremer ging mit viel Herzlichkeit auf die Leistung des Dombaumeisters ein, dem es immer wieder gelang von Land und Bund Fördermittel zu erhalten, da er Eigenmittel vorweisen konnte – ein oft mühsamer Vorgang, der schlaflose Nächte bedeutete. Chorhalle, Dachstuhl und Laterne des Oktogons, die Mosaiken in bis zu 31 Metern Höhe, das Bleidach für das 16-Eck, ein Carbon-Faser-Pflaster für den gefährlichen Erdbebenriss, den es von dort bis hinunter zum Fundament den Doms gab, zuletzt die Rettung der arg sanierungsbedürftigen Taufkapelle, Brandmelde- und Alarmanlage sowie erste Ergebnisse eine ausgefeilten neuen Beleuchtungssystems – die Zuhörerinnen und Zuhörer staunten. In „oktogonen“ acht Punkten entwarf Cremer das Bild vom Praktiker, der die Dinge ungeschönt beim Namen nannte, sprach über den Welterbe-Manager, Partner der Hochschulen, den frühen Begründer von Fundraising, Träger des karnevalistischen Krüzzbrür-Orden, Allrounder, versierten Medienmann. „Nach einem Höhepunkt befragt, hat er mich an den Karnevalswagen erinnert, mit dem das Domkapitel auf 40 Jahre Weltkulturerbe Dom aufmerksam machte“, sagte Cremer. Zusammen mit einer Urkunde überreichte er Maintz eine kleine Domsilhouette, die man durch zwei Kerze beleuchten kann. Er erinnerte damit an die Nachbildung der Domlaterne, von der 70 Stück zu jeweils 798 Euro hergestellt wurden und für die man noch Spender suche.

Klingende Überraschung waren zwei musikalische Beiträge schöner Männerstimmen: Der Chor Capella a Capella sang das Dombaumeisterlied und (mit viel Humor) die Geschichte von der Stiftung des großen Leuchters im Oktogon durch Kaiser Barbarossa auf Öcher Platt.

Zeitreise mit Helmut Maintz

Helmut Maintz selbst nutzte seinen Beitrag zur Bilanz, aber auch zur Verstärkung seiner Aufforderung, die „Pflegende Hand“ nie zu vergessen, ob man die mittelalterlichen Bronzeportale am Eingang mit einer feinen Wachsschicht vor Graffitis schützte, die es dort gab, oder einem König im Figurenreigen von  Gottfried Götting seine zerbrochene Krone zurückgab. „Die Reinigung von Figuren musste sich entwickeln, Lasertechnik war zunächst ganz im Anfang“, erläuterte Maintz. Vom Schwamm und der Zahnbürste, mit der man die Figuren vorsichtig von ihren Krusten befreite, über eine Paste, die den Schutz abnahm, ging es dann bis zur endlich zuverlässigen Technik. Taubenschmutz, der Herzogenrather Sandstein zersetzt, war und ist ein Problem, das bleibt. „Die Tauben sind schneller auf dem Gerüst als die Handwerker“, sagte Maintz. Schlagregen, Temperaturschwankungen und Sonneneinstrahlung seien gleichfalls bestimmende Faktoren. „Und immer wieder muss alles getan werden, um das Eindringen von Wasser zu vermeiden, das zum Beispiel die Eisenklammern rosten lässt“, forderte Maintz. Auf den Spuren der mittelalterlichen Bauleute hatte man gemeinsam mit der RWTH Aachen einen speziellen Mörtel entwickelt.

Termine für den Dom

Im Laufe der Jahre galt es, Termine einzuhalten, etwa den Aachener Weihnachtsmarkt, vor dem Gerüste weichen mussten. Intensiv ging er auf die Probleme rund um den Brandschutz ein, auf alte Kabel und neue Kabelröhren, die im Bereich der Marmorverkleidungen sogar dezent mit Marmormuster angestrichen und so verborgen wurde. „Es war ein Kabelsalat, bei dem einem schwindelig wurde“, zeigte Maintz eindrucksstarke Fotos. 52 Kameras beobachten inzwischen den Dom bis in den kleinsten Winkel. Die neue Beleuchtung ist in einigen Teilen des Innenraums bereits aktiv: geschickt verborgen, winzig mit enormer Wirkung. „Uns fehlen noch Glaslinsen, die Lieferung hängt irgendwo fest“, sagte er ärgerlich.

Einige spektakuläre Ereignisse hatte Helmut Maintz zusammen mit seiner Dombauhütte erlebt und fotografiert – den Höhenkletterer zum Beispiel, der sich in der Chorhalle abseilte, um hoch oben Beleuchtungselemente anzubringen, die wolligen Küken in der Bruthöhle des Turmfalken, die spektakuläre Aktion, als sich Herzchen-Ballons einer Hochzeit in der frisch sanierten Spitze des Westturms verfingen, fast verblichene Wandmalereien in der Chorhalle, die glanzvollen Motive der Mosaiken (10.000 Steinchen auf einem Quadratmeter), der grandiose Einsatz von Rübenkraut als Kleber und immer wieder der traurig-berühmte „gescheckte Nagekäfer“, der mit enormem Appetit viel mittelalterlich Substanz weggefressen hatte und vertrieben werden musste.

Grafische Datenbank und Aufbruch ins neue Zeitalter Wichtige Neuentwicklung sei eine grafische Datenbank aus rund 8000 Zeichnungen, mit deren Hilfe man per „Klick“ nahezu jedes Fassadenteil des Doms anwählen könne. Die Zeit verging schnell, alle Zuhörer waren begeistert. Helmut Maintz hat es zusammen mit der Dombauhütte und zahlreichen Fachleuten geschafft,  den 1200-Jahre alten Dom in eine stabile und von der „Pflegenden Hand“ umsorgte Zukunft zu führen – davon haben vor 175 Jahren die Gründer des Karlsvereins-Dombauvereins vermutlich geträumt. Seinem Nachfolger Dr. Jan Richarz obliegt es nun dieses Erbe mit eigener Handschrift weiterzuführen. Die weiteren Sanierungen an der Chorhalle sind ein erster Schritt der ansteht, die Kreuzgänge werden folgen. Viel zu tun, viele Herausforderungen, toi, toi, toi, der Karlsverein wird ihn bei allem begleiten!

Einen Videobeitrag zu dem Abend finden Sie außerdem hier:

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