Auf dem Baugerüst an der Südseite der Chorhalle ist es derzeit gut aus nächster Nähe zu sehen: Wind und Wetter haben den neugotischen Chorhallenfiguren stark zugesetzt. Insbesondere die filigranen und exponierten Details der Skulpturen zeigen Schäden bis hin zu Teilverlusten der Originalsubstanz. Dabei zeichnen gerade die Details – wie Attribute, Schriftbänder, Bart- und Haartracht sowie der Kleidungsstil – die Dargestellten individuell als Erzengel, Propheten und Patriarchen des Alten Testaments, Heilige oder gekrönte Herrscher aus dem Hofstaat Mariens aus.

Dank der Unterstützung des Karlsvereins hat sich der Glücksfall ergeben, dass ein Vergleich des aktuellen Zustands der Skulpturen mit dem ehemaligen Originalzustand der Figuren möglich ist. Bereits 2018 förderte der Karlsverein die Übernahme der Entwurfsmodelle aus den Jahren 1865 bis 1876.

Kleine Stars ganz groß: Teile der Gipsmodellsammlung der Matthiaskapelle
© Foto: Lydia Konnegen

Gottfried Götting, ab 1865 als Bildhauer mit der Ausführung von 94 Außenstatuen für die Chorhalle sowie für die Anna-, Matthias-, und Karls- und Hubertuskapelle beauftragt, hatte zunächst kleine Entwurfsmodelle aus Gips angefertigt. Auf dieser Grundlage entstanden anschließend die überlebensgroßen Figuren, die in luftiger Höhe an die gotischen Bauten des Domes montiert wurden.

Insgesamt 77 Gipsmodelle sind überliefert, mittlerweile gereinigt und in der Matthiaskapelle des Domes aufgestellt. Unter ihnen zahlreiche Figuren aus dem Chorhallenzyklus. Im Rahmen der aktuellen Sanierungsarbeiten bot sich nun die Möglichkeit, Planung und Ausführung der einzelnen Skulpturen zu vergleichen und darüber hinaus den Umfang der eingetretenen Schäden festzustellen. Erstaunlicherweise zeigten sich durchaus Abweichungen zwischen Entwurf und Umsetzung der Figuren. Dies betrifft beispielsweise die Ausrichtung der Kopf- und Körperneigung oder des Gestus, wie dies bei der Darstellung des Joachim nachzuvollziehen ist.

Auch wenn anhand der Gipsmodelle verlorene Elemente der Originalskulptur bekannt geworden sind, werden aktuell keine umfassenden Rekonstruktionen und Ergänzungen an den Chorhallenfiguren durchgeführt. Anders war dies noch bei der letzten Chorhallensanierung vor rund 25 Jahren, als verlorene Attribute einzelner Figuren soweit ergänzt wurden, wie dies zur Identifizierung der dargestellten Person notwendig war. Der Schwerpunkt der aktuellen Sanierungskampagne liegt in der Substanzerhaltung und –ertüchtigung, um weiteren Verlusten vorzubeugen.