Selbst sommerliche Temperaturen und strahlender Sonnenschein haben nicht rund 200 Mitglieder des Karlsverein-Dombauverein davon abhalten können, einen besonderen Abend im Aachener Dom zu verleben. Das Interesse an der diesjährigen „Literarischen Domführung“ war so enorm, dass die Bestuhlung im Oktogon nicht reichte.
Noch bis kurz vor Beginn wurden Stühle dazugestellt und verschoben, weil natürlich jeder, der kam, einen Blick auf Gerhard Dünnwald erhaschen wollte. Er war der strahlende Mittelpunkt des Abends, als er in unmittelbarer Nähe zum Aachener Gnadenbild der ganz in Weiß gewandeten Gottesmutter Maria interessante Details und Anekdötchen zur Geschichte des Domes vorlas – op Platt. Wer weiß, dass der Gastsprecher zu Beginn dieses Jahres den Thouet-Mundartpreis erhalten hat und jahrelang Leiter der Domsingschule war, den wundert das Motto des Abends nicht: „Öcher Ronkjangk dörch os Mönster“
Ein buchstäblicher Rundgang war es indes nicht, denn die Gäste nahmen unter dem Barbarossaleuchter Platz, um den Ausführungen von Gerhard Dünnwald (Öcher Platt), Werner Schlösser (Moderation in Hochdeutsch) und dem Harfenspiel von Stana Beißwänger zu lauschen. Vielmehr entführten die Inhalte zu einer Reise durch Zeit und Raum.
So begrüßte Werner Schlösser und führte in die anderthalbstündige Veranstaltung ein, zu denen Mitglieder des Karlsvereins exklusiv kostenfreien Eintritt hatten: „Wir alle kennen und lieben unseren Aachener Dom, das Herzstück unserer Stadt und haben vermutlich schon bei vielen Besichtigungstouren das ein oder andere Detail entdeckt und Neues dazugelernt. Und auch dieses Mal möchten wir Sie an unserem literarischen Abend zu einer ganz besondere Reise durch die Jahrhunderte einladen, und Ihnen den Dom noch mal auf eine ganz andere Weise näher bringen: Denn was könnte besser zusammen passen als die altehrwürdige Kirche aus der Zeit Karls des Großen und die Aachener Mundart. Und wer könnte uns dies besser präsentieren, als der diesjährige Preisträger des Thouet-Mundartpreises Gerhard Dünnwald? Er wird uns heute durch den Abend begleiten und uns den Dom auf Öcher Platt näherbringen. Dabei wird es nicht nur um das einzigartige Bauensemble gehen, das Karl der Große hier ab Ende des achten Jahrhunderts erschuf, um die Bauwünsche, die er zu verwirklichen suchte, sondern es geht auch um die Ideenwelt des großen Frankenherrschers, um die Liturgie vor Ort und den Glanz, den das Bauwerk bis heute ausstrahlt. Lassen Sie sich zunächst also entführen in die Zeit Karls des Großen, erfahren Sie etwas über die frühen Quellen und ersten Bauten in Aachen und seien Sie gespannt auf die Weiheinschrift, die – ganz klar – auf Öcher Platt übersetzt wurde.“
Hiernach hörten die Besucher in dieser Reihenfolge dialektische Ausführungen zur Pfalzanlage, der Ideenwelt des Königs Karl, wie er durch Gelehrte beraten wurde, welche stringenten Bauwünsche er hatte und nach welchen Vorbildern diese sich richteten. Es ging aber auch um die Politik Karls zum Kaisertum hin und danach, um die Kanonisation Karls und seine Bedeutung für Europa, Karoli praesentia, den Schrein, die Heiligtümer und die Marienverehrung und schließlich, wie Kunstwerke auf Himmlisches weisen. Die Beiträge wurden begleitet von Harfen-Soli, die auf Werke von Michail Glinka, Felix Godefroid, Modest Musorgskij, Johann Sebastian Bach und Ernest E. Ball beruhten. Der tosende Applaus am Ende belohnt alle Beteiligten für ihre Mühen.